100 Jahre Zimmerweg : 1906 - 2006

Ein bisschen Geschichte
über die Person und den Weg

 

Wenn heute noch manche ältere Alpinisten meinen, Bergsteigen sei kein Sport oder hätte damit nichts zu tun (womit sie wahrscheinlich das heroische Element als etwas Besonderes hervorkehren wollen), so wirkt dies umso seltsamer, als Franz Zimmer eigentlich schon vor rund hundert Jahren ein lebendes Gegenbeispiel war.

Gewiss, man kennt die Anekdoten über Bergsteiger wie Hans Schwanda (... Training? ... I bin ja ka tepperter Sportler!) oder Leo Seitelberger (... er betrieb überhaupt keinen Sport und war auch in Klettergärten stinkfaul ... - beide Zitate nach Karl Lukan). Franz Zimmer war anders, er war Bergsteiger UND Sportler, und das schon etliche Jahrzehnte früher.

Im Nachruf, erschienen in der ÖAZ (Juni/Juli 1941) und aus anderen Quellen erfährt man, dass er neben seinem Beruf als Kaufmann und neben seiner Mitgliedschaft im Österreichischen Alpenklub auch ein erstklassiger Turner war, der selbst regelmäßig trainierte, sich aber auch um die Förderung des Nachwuchses bemühte. Als Bergsteiger gelang ihm eine Reihe von (für jene Zeit) ansehnlichen Touren und Erstersteigungen. Und in Vorwegnahme der Standardfrage für jene Generation von Bergsteigern: sein Leben endete durch Krankheit.

Von den in der ÖAZ angeführten Anekdoten wird hier eine kurz gefasst wiedergegeben (Originalwortlaut kursiv):


Franz Zimmer
geb. 1865 in Böhmen, gest. 1941 in Wien

Franz Zimmer und sein Spezl wurden in Gstatterboden von einem alpinistisch ehrgeizigen wiener Ehepaar angesprungen und gequält, d.h. für Führerdienste angeheuert. Man ging schließlich über die Südwand auf den Großen Buchstein und stieg über den Westgrat ab. Beim Abstieg hatte Zimmer die Frau am Strick, sein Spezl ihren Ehegatten. Bald zeigte sich, dass Ehrgeiz nicht alles ist - plötzlich wollte die Göttergattin nicht mehr weiter. Es wären weder Griffe noch Tritte vorhanden, und sie sähe überhaupt keine Möglichkeiten des Weiterkommens mehr... Darauf erwiderte Zimmer, sie solle sich einfach nur hinabgleiten lassen, da sie ohnehin am Seil wäre und ihr nichts geschehen könne; doch auf diesen schönen Zuspruch reagierte sie sauer und erklärte, nicht mehr weitergehen zu wollen. Franz Zimmers Stirnfalten vermehrten sich bedenklich, und mit hoher Stimmlage erklärte er seiner Dame : "Gnä' Frau, wenn s' jetzt nicht gleich gehen, krieg'n s' a paar..." Der Ehegatte machte daraufhin schon ein sehr ernstes Gesicht, während der Spezl Mühe hatte, vor Lachen nicht aus dem Kamin zu fallen, und bedeutungsvoll zu Zimmer hinunterrief  "LUPFEN ! "  Dieses drastische Mittel führte denn auch zum Ziel, denn Franz zog seine Dame einfach etwas in die Höhe, und bevor sie wusste, wie ihr geschah, ließ er sie fallen - und die schwere Stelle war damit für sie überwunden. Leider war bei diesem Lupfer und dem nachfolgenden Abwärtsgleiten der Hosenboden der Dame zerrissen und gab einiges an Unterwäsche preis ... und der Chronist notiert kryptisch, der Gesamteindruck des Ereignisses sei dadurch immerhin beträchtlich gewesen ...

Hoffentlich hatten Zimmer und sein Spezl ihren Führerlohn schon vorher eingefordert.

Leider war Franz Zimmer jeder Veröffentlichung seiner bergsteigerischen Taten abgeneigt, sodass sich über seine im Mai 1906 geglückte Durchsteigung der Stadelwand mit den Gefährten Zsolnay, Kriechbaum und Kleinhans nur eine lapidare Eintragung in einem Tourenbericht des letzteren findet, und sonst zunächst einmal gar nichts. Für diesen Durchstieg bürgerte sich der Name "Zimmerweg" ein.

Noch im selben Jahr gelang ein weiterer Durchstieg, der nach den Erstersteigern "Roth-Weiss-Weg" genannt wurde und ganz in der Nähe verlief - möglicherweise nur eine versuchte Wiederholung des Zimmerweges, welcher vielleicht mangels brauchbarer Publikation unauffindbar war.

Die ersten mehr oder weniger brauchbaren Beschreibungen beider Wege finden sich im "Spezial-Führer auf den Schneeberg" von Fritz Benesch (Wien, 2. Auflage 1908 und wortgleich in der 3. Auflage 1912).

Vergleicht man diese mit späteren Beschreibungen (in der 5. Auflage 1924 sowie sinngemäß übereinstimmend in Rudolf Reidingers "Schneebergführer" von 1975), so wird einigermaßen klar:

  • Der untere Teil des Zimmerweges (bis auf die Höhe des auf den "Schrägen Kamin" folgenden Standplatzes, siehe Topo, Ende der 5.SL) wurde früher anders begangen. Der besagte Standplatz wurde damals nicht über den Kamin erreicht, sondern irgendwie über den weiter links liegenden grasig-waldig-felsdurchsetzten Pfeilerrücken.
     
  • Die Beschreibungen des Roth-Weiß-Weges stimmen hingegen alle überein. Er verwendete genau jenen "Schrägen Kamin", querte jedoch knapp unterhalb des besagten Standplatzes nach rechts über elende und gefährliche Grasschrofen zu einem Standplatz der (erst später begangenenen) Richterkante (oberm Buchbaum), und manövrierte noch länger auf ähnlich grausigem Gelände weiter. Er wird heute nicht mehr begangen.
     
  • Spätestens 1924 hatte sich offenbar schon eine "Erste Begradigung" durchgesetzt, die wahrscheinlich eine lohnendere Wegführung bot: der Zimmerweg wurde nun im unteren Teil deckungsgleich mit dem Roth-Weiß-Weg begangen (d.h. über den "Schrägen Kamin"), im oberen Teil jedoch wie früher.
     
  • Eine von uns wiederentdeckte, gut erhaltene metallene Gedenktafel an einer Felsstufe 30-40m links neben unserem neuen Einstieg (s. Topo, Beginn der 1.SL) könnte damit zu tun haben. Sie stammt aus 1926 und gilt Leon Schaller, der dort 1921 verunglückte - vielleicht ein Hinweis auf den ursprünglichen Wegverlauf im unteren Teil.


In unserem Topo wurde jene "Erste Begradigung" (soweit nach Reidinger 1975 identifizierbar) hellgrau punktiert eingezeichnet und mit "Zimmerweg original" beschriftet, was nun strenggenommen nicht ganz stimmt, aber eigentlich nur noch von geschichtlichem Interesse ist, denn nach unserer neuerlichen Begradigung und Sanierung wird diesen Weg wohl kaum noch jemand gehen wollen. Wir empfehlen ihn auch nicht.

Unser "NEUER ZIMMERWEG" folgt zwar grundsätzlich dieser Linie, verwendet sie aber zu kaum 30% im engeren Sinn, denn neben den um 1906 mit Bergschuhen vorzugsweise begangenen Grasschrofen gibt es doch jede Menge Fels - wenn es auch nicht immer der beste ist, der sich in den unteren Schwierigkeitsgraden halt so anbietet. Wir haben uns im Wesentlichen bemüht, innerhalb des Schwierigkeitsrahmens zu bleiben, der durch die klassischen Kletterstellen vorgegebenen ist (Schräger Kamin in der 5.SL, Rampe und Wandl in der "klassischen" 7.SL, Verschneidung in der 8.SL, alle etwa um 4+ nach heutiger Freikletterbewertung). Nur die erste Seillänge ist etwas schwerer ausgefallen (5).

Wer es noch ein bisschen schwerer haben will, wechselt im oberen Teil der 6.SL zum Standplatz der "Modernen Variante" (anderthalb SL, bis ca. 6-).


Zusammengestellt von Christian Faltin und Rudi Melchart 2005
Update 10.6.06  Christian Faltin